Die Serifen, die auch als Füßchen bezeichnet werden, verleihen einer Schrift ihren ganz eigenen Charakter. Im vierten Teil unserer Reihe zur Typografie betrachten wir ihre Formen genauer und sprechen über Lesbarkeit und Wirkung.
Teil 1: Typografie – Grundlagen
Teil 2: Typografie – Geviert und Kegel
Teil 3: Typografie – Dickte
Teil 4: Typografie – Serifen (dieser Artikel)
Teil 5: Typografie – Punzen
Was sind Serifen?
Bei den Serifen handelt es sich um An- und Abstriche bzw. Anfangs- und Endstriche von Buchstaben. Weisen Buchstaben diese Striche auf, nennt man sie Serifenschrift. Schriften ohne Striche nennt man Serifenlose, häufiger auch Grotesk oder Sans Serif.
Die beiden Klassiker Arial und Times New Roman sind Vertreter dieser zwei Gruppen: die Times mit Serifen und die Arial ohne Serifen.
Die Theorie, dass die Entstehung der Serifen vom Ansetzen des Steinmeißels aus dem Mittelalter stammt, wird häufig angezweifelt. Wahrscheinlicher ist, dass die zusätzlichen Striche schon damals ästhetische Gründe hatten. Auch heute gibt es noch große Verfechter des Serifen-Stils.
Art und Form der Serife
Die Schriftwirkung einer Serife hängt von deren Art und Form ab. Hierbei wird unterschieden, ob die Serife ohne Rundung an den Strich angesetzt ist oder ob Strich und Serifen weich ineinander übergehen.
Dieser weiche Übergang ist insbesondere bei den venezianischen und französischen Renaissance-Antiquas zu finden.
Die klassizistische Antiqua hingegen hat auffallend hart angesetzte Serifen, die je nach Buchstaben im rechten Winkel angesetzt werden.
Aber nicht nur der Übergang ist ausschlaggebend, auch Form und Winkel sind Merkmale, die den Habitus einer ganzen Schrift beeinflussen. Serifen können waagerechte und senkrechte glatte Striche sein, wie bei der klassizistischen Schrift. Bei den Renaissance-Antiquas können die Striche leicht gebogen und die Dachserifen schräg angesetzt sein.
Serifen und ihre Strichstärkenunterschiede
Schriften mit Serifen weisen in der Regel auch Unterschiede in ihren Strichstärken auf. Während die Serifenlosen sehr häufig eine – zumindest optisch – gleichbleibende Strichstärke zeigen, sieht man bei vielen Serifenschriften, dass die Stärke ihrer Grundstriche wechselt. Je nach Art und Schriftklasse sind diese Wechsel mehr oder weniger deutlich zu sehen: Die klassizistischen Schriften mit den gerade angesetzten Serifen weisen schon eher deutliche Unterschiede auf. Bei den venezianischen und französischen Renaissance-Antiquas, deren Serifen weicher und runder sind, zeigen sich die Strichstärkenunterschiede nicht so stark.
Serifenbetonte Schriften
Serifen können auch stark betont sein und so aussehen, als wären die Füßchen der Buchstaben in Betonquader gegossen. Die als Slab Serif oder auch als Egyptienne bezeichnete Schriftgruppe hat eine Menge schwer lesbarer Schriften zu bieten, aber auch gängige und verhältnismäßig gut lesbare Schriften wie die Rockwell oder die Memphis sind Slab Serif Fonts.
Lesbarkeit
Lange Jahre gab es große Meinungsunterschiede zur Lesbarkeit von den Serifenlosen und den Serifenschriften. Während die einen den Serifenlosen aufgrund ihrer klareren Linien eine bessere Lesbarkeit attestierte, verteidigten die anderen jene Serifenschriften, deren Serifen an den unteren Enden der Buchstaben eine Art Schriftlinie bilden und somit das Auge des Lesers besser führen würden. Zudem führten sie an, dass der Wechsel in den Strichstärken der Serifenschriften die Augen weniger schnell ermüden lassen.
Heutzutage sind die Schriftauswahl und die Art des Lesens zu komplex, um solch verallgemeinernde Aussagen zu treffen. Starke Unterschiede bei den Serifenformen sorgen für eine stark unterschiedliche Lesbarkeit innerhalb dieser Gruppe, dies gilt auch für die Grotesken (z. B. Vergleich von Helvetica und Antique Olive/Skia). Hinzu kommt die Tatsache, dass die Lesbarkeit auch immer vom Medium abhängig ist. Bei der Beschriftung eines Plakats oder einer Autobahnbeschilderung spielen andere Kriterien eine Rolle als bei einer Zeitschrift. Auch das Lesen am Bildschirm stellt wiederum andere Bedingungen wie das Offline-Lesen. Somit lässt sich die Frage nach der Lesbarkeit einer Schrift nur im Kontext ihres Einsatzes ganz individuell beantworten.
Nur ein bisschen Serifen
Übrigens gibt es auch Schriften, die weder als Serifenschriften noch als Serifenlose bezeichnet werden können: diese nennt man humanistische Serifenlose. Hierbei handelt es sich um Schriften, bei denen die Serifen so reduziert werden, dass nur noch ein leichter Serifen-Eindruck bleibt.
Wirkung
Die Wirkung von Schriften auf den Leser oder Betrachter sollte grundsätzlich nicht unterschätzt werden. Eine Headline in einer schmal geschnittenen Serifenlosen mit leichter Strichstärke hinterlässt einen völlig anderen Eindruck als der gleiche Text in einer schweren Pinselschrift, wie der Renaissance-Antiqua oder einer Stilschrift.
Die Wirkung von Serifenschriften und Serifenlosen lässt sich natürlich nicht verallgemeinern, denn der Typograph sträubt sich sowieso gegen Pauschalurteile.
Wer aber wenigstens ein paar Leitsätze benötigt, darf hier weiterlesen:
Serifenschriften wirken elegant.
Serifenschriften wirken lebendig.
Serifenschriften wirken alt.
Schriften mit eckig angesetzten Serifen (klassizistische Antiquas) wirken strenger und klarer als die Schriften mit weich laufenden Serifen.
Slab Serif wirkt stabil und kräftig.
Serifenlose wirken modern.
Serifenlose wirken neutral.
Serifenlose wirken unemotional.
Fazit: Serifen haben großen Einfluss auf die Wirkung und den Charakter einer Schrift. Sie unterscheiden sich in Stärke, Winkel sowie Form und sind somit auch entscheidend für die Klassifizierung. Ein paar wenige Eigenschaften und Wirkungen von Serifenschriften bzw. Serifenlosen lassen sich verallgemeinern. Meist ist jedoch eine individuelle Betrachtung der Schriften nötig, um die richtige Wahl zu treffen und die Botschaft optimal zu unterstreichen.