Handlettering liegt voll im Trend. Doch allein mit einer Eins in Schönschreiben ist es nicht getan. Wenn Übung, Talent und ein feines Gespür für Buchstaben und Emotionen aufeinandertreffen, ist der wahre Künstler geboren. Hannah Rabenstein verfügt über dieses Paket. Als Designerin und Handlettering-Künstlerin malt und schreibt sie sich durch ganz Deutschland.

Schnell kam Design-Studentin Hannah Rabenstein an der Technischen Hochschule Nürnberg zum Spitznamen „Typo-Hannah“. Geboren und aufgewachsen in der Nähe der bayerischen Festspielstadt Bayreuth, entdeckte sie ihre Leidenschaft für Typografie erst während ihres Vorstudiums an der Akademie Faber-Castell. Kaum mit dem Bachelor Design an der TH Nürnberg begonnen, wurde der Schwerpunkt auf Typographie gesetzt.

Sie beschäftigte sich so eingehend mit Typografie, Buchstaben und deren Architektur, dass ihre Kommilitonen sie schließlich „Typo-Hannah“ nannten. Durch ein Praktikum bei der Kalligrafin Andrea Wunderlich kam sie dem Schreiben per Hand näher. Das Praxissemester verbrachte sie in Frankfurt am Main bei der Site-Works AG, einer Agentur für Integrierte Kommunikation. Dort entwickelte sie ein halbes Jahr lang digitale Fonts. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie nun schon als selbstständige Designerin mit Fokus auf  Handlettering und Grafik-Design und wohnt in Nürnberg. Zu ihren Kunden zählen u. a. adidas, EDEKA, Faber-Castell und Monkey47 Gin. Außerdem übernimmt sie Gestaltungen für Bars, Restaurants und Einzelhändler in Nürnberg, München und anderen Teilen der Bundesrepublik. Im Sommer 2016 hat sie nun ihr erstes Buch veröffentlicht mit dem Titel „Handlettering von A bis Z“.

Für uns hat sie den Prozess des Letterings illustriert. Außerdem stand sie uns Rede und Antwort zu ihrer Buchstabenliebe, ihrem Job und ihrem Buch.

So entsteht ein Handlettering von Hannah Rabenstein:

Hannah, als Typografie-Nerd – hast du eine Lieblingsschriftart?

Hannah Rabenstein: Wie hat einer meiner Typografie-Professoren mal gesagt: „Mit Schriften hast du eine Affäre, eine mehr oder minder lange Beziehung.“ Das stimmt! Während meines Studiums gab es einige dieser „Affären“, weil ich mich einfach sehr viel mit Typografie und Schriftarten beschäftigt habe. Heute ist es anders, da meine Arbeit hauptsächlich analog stattfindet. Aber wenn ich mal wieder etwas am Computer machen muss, z. B. Layouts, dann entdecke ich immer wieder neue Schriften, in die ich mich für eine Weile vergucke und auf die ich – je nach Projekt – gezielt zurückgreife. Viele Schriften haben ihren Reiz und bestimmte Details, die ein Typo-Nerd-Herz höher schlagen lassen. Was mir heute aber am meisten gefällt, ist eine harmonische Kombination aus (zwei) Schriftarten, die aufgrund ihrer Charaktere einfach spannend und kontrastreich sind und trotzdem perfekt miteinander funktionieren.

Hannah Rabenstein
Hoch konzentriert und mit einer ruhigen Hand widmet sich Handlettering-Künstlerin Hannah Rabenstein ihrer Buchstaben.

Mit welchem Schreibwerkzeug arbeitest du am liebsten?

Hannah Rabenstein: Momentan sind das Brush Pen und Pinsel. Ich habe mich vor ca. drei Jahren endlich an die berühmten Brush Pens herangewagt – gar nicht so einfach zu Beginn! Ich habe stetig geübt, nahezu täglich, habe mir andere Künstler angesehen, Buchstaben und Schriften untersucht. Bis zu meiner eigenen Perfektion. Besonders froh bin ich, dass ich mich jetzt traue mit richtigen Pinseln zu arbeiten, ob auf dem Boden oder an Wänden. Das ist das Schöne an meiner Arbeit oder an dieser Kunst an sich: Man findet immer neues Handwerkszeug, neue Techniken und Materialien, die man ausprobieren kann. Sie finden ihren Weg in deinen Stil, in deine Entwicklung.

Was war dein bisher schönstes Projekt? Was war dein bisher größtes Projekt?

Hannah Rabenstein: Es gab ein schönstes und größtes Herzensprojekt und ein schönstes und größtes Projekt, was Fläche bzw. Ausmaß betrifft.
Fürs Herz: Das war und ist mein Buch, das im Mai erschienen ist. Damit konnte ich wirklich einen kleinen Teil „Hannah“ in ein Buch packen und es der Welt zeigen. Es war mir unheimlich wichtig, die emotionale Seite der Schrift und Buchstaben zu zeigen, wie viel Gefühl in jedem Buchstaben stecken kann und wie sehr ich meine Arbeit liebe. Das klingt immer ein wenig pathetisch, aber die Welt der Schrift ist tatsächlich meine ungeteilte Liebe, und ich bin glücklich und auch ein wenig stolz, dass ich bereits zu Beginn meiner „Karriere“ ein Buch schreiben durfte. Das positive Feedback aus allen Teilen des Landes hat mich sprachlos gemacht!

Hannah Rabenstein: Buch "Handlettering von A bis Z"

„Handlettering von A bis Z – Schreiben und Gestalten“

  • Autorin und Designerin: Hannah Rabenstein
  • Erschienen im EMF-Verlag
  • 144 Seiten
  • ISBN 978-3-86355-465-1

 

Das flächenmäßig größte Projekt: Wenn ein Kunde dir knappe 25 Meter Fläche mit den Worten: „Ich vertraue dir, tob‘ dich einfach aus!“ zur Verfügung stellt, dann schlägt das Herz deutlich höher. So geschehen in der EDEKA-Filiale Schätz in Fürth. Über der Frische-Theke durfte ich die komplette, mit Kreidefarbe gestrichene Fläche gestalten. Zuvor brachten wir große, gefräste handgemachte Schriftzüge von mir an. Ich bin sehr zufrieden mit dem  Ergebnis und die Resonanz war und ist fantastisch!

Hannah Rabenstein - EDEKA
Das größte Projekt: Mit Text und Illustration verzierte Hannah Rabenstein die Frischetheke in einer EDEKA-Filiale in Fürth.

Wo findest du Inspiration für deine Projekte?

Hannah Rabenstein: Die besten Inspirationen liefert das Leben. Jeden Tag aufs Neue. Ob das jetzt Gespräche mit Freunden sind, Gesprächsfetzen, die ich irgendwo aufschnappe, oder (Lied-)Texte, über die ich stolpere. Mich begeistern aber auch bekannte Zitate oder „Küchentischweisheiten“, deren Aussage sich mit dem Ändern eines Buchstabens oder eines Wortes komplett verändern lässt – oft mit einem Augenzwinkern! Außerdem habe ich eine Liste mit Worten, Zeilen, Sätzen und Aussagen angelegt, die ich definitiv einmal schreiben möchte. Hin und wieder habe ich ein echtes „Lieblingswort“, das ich dann oft und in verschiedenen Stilen umsetze. Momentan ist es „Flamingo“, inspiriert von meinem Sommer in den USA.

Hast du Vorbilder?

Hannah Rabenstein: Ich eifere niemandem nach, denn ich finde es viel wichtiger, mit mir selbst zufrieden zu sein und einfach an meinem eigenen Stil zu arbeiten, mich weiterzuentwickeln.
Ersetzen wir „Vorbilder“ vielleicht durch „Einflüsse“, dann hatten den größten Einfluss bis dato meine Kollegin und Lehrerin Andrea Wunderlich, die mich mit ihrer Kalligrafie immer wieder verzaubert hat, und ihr Mann Volker Wunderlich, bei dem ich mein Faible fürs Handwerk entdeckt habe. Die beiden haben mich sehr geprägt!

Hannah Rabenstein - Hochzeitsschuhe
Gegenstände wie diese Hochzeitsschuhe stellen Hannah Rabenstein vor eine willkommene Herausforderung: Mit viel Liebe werden sie so zu einem wunderschönen Unikat.

Gibt es verschiedene Lettering-Stile?

Hannah Rabenstein: Jeder hat seinen eigenen Stil, vor allem auf Instagram, wo sich viele Handletterer tummeln, kann man das deutlich erkennen. Ich selbst bin ein unheimlicher Perfektionist. Lange gab es für mich kein schöneres Kompliment als „Das sieht ja aus wie gedruckt!“ Deshalb liebe ich „ordentliche“ Letterings – und da gibt es echte Profis. Ich versuche gerade, mich ein wenig von diesem Perfektionismus zu lösen, etwas freier und „rauer“ zu arbeiten. Mein persönlicher Anspruch ist es immer, die Ur-Form der Schriften und Buchstaben nicht all zu sehr zu verfälschen: Es soll immer natürlich und „richtig“ aussehen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich sehr lange und intensiv mit der Anatomie von Buchstaben, mit Typografie und Mikro-Typografie beschäftigt habe. Diese „Grundregeln“ verfolge ich für mich und kombiniere sie mit meiner eigenen Fantasie. Komplett verfremden oder diese Regeln aufbrechen – das liegt mir nicht.

Hast du einen ultimativen Tipp für Handlettering-Anfänger?

Hannah Rabenstein: Schaut euch Buchstaben und Schriften an! Untersucht ihre Anatomie, ihren Aufbau, ihre Details und ihren Charakter. So habe ich das gemacht. Für den Anfang hilft wirklich das Abzeichnen von Schrifttypen, weil man dadurch einfach ein Gefühl für Schrift bekommt. Großes Papier, Schwünge üben, Hand und Kopf frei machen! Und das Wichtigste: Spaß daran haben. End of the Story: Üben, Üben, Üben!

Was macht für dich den Zauber des Handletterings aus?

Hannah Rabenstein: Es ist tatsächlich die Liebe zur Schrift. Einzelne Worte, Zeilen oder Texte so zu gestalten, dass sie den Betrachter berühren – das ist für mich das Schönste. Man kann mit Schrift so viele Gefühle ausdrücken und visualisieren… mit kleinen Tricks, einem Augenzwinkern, einer Portion Fantasie und Schreibtechnik lassen sich jedes Mal aufs Neue Unikate schaffen. Das ist das Besondere daran: Alles, was ich oder wir tun, sind am Ende Unikate. Ein schöner Gedanke. Die Gestaltung mit Schrift bietet eine schier unendliche Vielfalt. Allein die unzähligen Oberflächen, Gegenstände und Materialien, die ich gestalten kann und mit denen ich gestalten kann. Ich erschaffe etwas mit meiner Hand: Handwerk eben. Und wegen mir kann das für immer so weitergehen!

Hannah Rabenstein: