Das Forward Festival feiert 2019 seinen fünften Geburtstag. Das Motto „The odd one out“ war bereits bei der Auftaktveranstaltung in Wien (4. bis 6. April 2019) Programm: Viele der Redner konnten sich damit nicht nur bestens identifizieren, sondern machten Mut, eigene Ideen mit Leidenschaft zu verfolgen – gegen alle Hindernisse.

Auf dem dreitägigen Designspektakel, das im Gartenbaukino und im Museum für angewandte Kunst (MAK) veranstaltet wurde, war viel geboten. Grafikdesigner, Illustratoren, Typographen, Fotografen und Kreativagenturen – von Deutschland/Österreich bis Australien – gaben sich die Ehre und teilten ihre Erfolgstories und Erfahrungen mit dem internationalen Publikum.

Mut zum kreativen Scheitern!

Vor allem die Redner des ersten Tags machten deutlich, dass ein Leben „gegen (alle) Widerstände“, wie beispielsweise als (selbstständiger) Designer nicht immer einfach ist und schon gar nicht nach Plan verläuft. Für Erfolge muss man mutig sein, Risiken eingehen und einen starken Willen haben wiederaufzustehen, wenn es nicht läuft wie geplant. So riet Oke Göttlich, der Vereinspräsident des – spielerisch oft unterlegenen – Zweitligisten FC St. Pauli, dazu, seiner Leidenschaft zu folgen und auch aus negativen Erlebnissen Kraft zu schöpfen. Nur wenn man sich aufraffe und an sich selbst glaube, könne sich nach und nach Erfolg einstellen. Als Marketingpionier und „the odd one out“ in der Fußballwelt ist St. Pauli ein wunderbares Beispiel dafür, wie man „etwas anders“ und damit erfolgreich sein kann.

„Good things take time – great things take a lifetime.“ (Timba Smits)

Eine ähnliche Meinung vertrat auch der australische Illustrator Timba Smits. Denn sein Weg ging nicht immer steil nach oben. Für seinen Durchbruch musste Timba sogar den Kontinent verlassen, um seine Chance in London zu ergreifen. Der begabte Künstler, Illustrator und Gallerist sei dabei vielfach gescheitert – wie er charmant und mit Witz in einem Wortsuchrätsel und einer Grafik zeigte. Der Graph seiner Erfolgsgeschichte hat viele Höhen und Tiefen. Doch aufgegeben hat er trotz Durststrecken nicht, sagt er und legte den Besuchern ans Herz, Mut zum Scheitern zu haben. Denn gute Sachen brauchen eben Zeit, richtig gute Sachen sogar ein Leben lang.

Papier und Poster leben hoch

Dass Papier und Poster auch im digitalen Zeitalter nicht wegzudenken sind und beeindrucken können, bewiesen Grafikdesigner Anthony Burrill aus London und Papierkünstlerin Kelli Anderson aus New York. Worte und Sprache sind für Burrill ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit.

„Check spelling before printing.“ (Anthony Burrill)

Simpel und einzigartig zugleich bringt er mit seinen Postern Dinge auf den Punkt und setzt Statements. Eines seiner berühmtesten Werke „Work hard and be nice to people” ist mittlerweile bereits zu einem Mantra in der Design- und Marketingwelt geworden. „Nicht aufgeben” lautet auch Anthonys Devise. Doch darüber hinaus gibt er angehenden Designern und Künstlern Folgendes mit auf den Weg:

  • „Sag nicht nichts.“
  • „Sei neugierig.“
  • „Überprüfe die Rechtschreibung vor dem Drucken.“


Kelli Anderson erweckt Papier zum Leben. Vor allem ihr Werk „This Book is a Planetarium ” hat uns beeindruckt. Damit zeigt sie, was mit Papier alles möglich ist.

Balance aus Selbstverwirklichung und Lebensunterhalt

Die britische Grafikdesignerin Kate Moross, die seit 2012 ihr eigenes Designstudio hat, gab Einblick in ihren Lebenslauf und erzählte, wie aus einer jungen Designerin mit vielen Ideen eine erfolgreiche Studioinhaberin wurde. Früher lebte sie ihre Kreativität in Herzensprojekten aus, designte GIFs für eine Band oder die Cover von Schallplatten und investierte ihr Geld in diese für sie profitfreien Projekte. Durch Umwege gelang ihr dann doch der Durchbruch – mit ihren Record-Designs und als Art Director für die MTV Music Awards (Gestaltung Bühne, Show, Einspieler, Layout).

„Make youR own luck.“ (Kate Moross)

Heute hat sie ein kleines Team um sich und erstellt lebensfrohe, leuchtende Designs, Illustrationen und Animationen für ihre Kunden – und verdient sich damit ihren Lebensunterhalt. Mit Auftritten wie in Wien will Kate anderen Kreativen Mut machen, sich selbst zu verwirklichen. Ihre Tipps sollen helfen, das eigene Business zum Laufen zu bringen, vom Umgang mit Freelancern/Angestellten bis hin zu einzelnen Jobs. Dabei geht es auch um die richtige Balance von Geld und Zufriedenheit. Der Spagat zwischen Kunden- und Herzensprojekten bleibt immer eine Herausforderung – und begünstigt sich im Idealfall gegenseitig.

Ein Highlight, der „Streetart Insta Walk“

Zu den zahlreichen Aktivitäten des Festivals gehörte in Wien auch der Streetart-Fotowalk mit Wolfang Breyscha, dem Verantwortlichen des offiziellen Instagram-Kanals der Stadt Wien. Denn dass Wien nicht nur schöne Architektur zu bieten hat, sondern mittlerweile auch für Streetart bekannt ist, kommt nicht von ungefähr. Bei einem Fotowalk entlang des Donaukanals zeigte der Wiener einige seiner Streetart-Hotspots. Zusammen mit anderen Fans der urbanen Kunst kümmert er sich um die Webseite vienna.streetartcities.com. Dank dieser Plattform können auch Touristen und Streetart-Jäger lokalisieren, wo neue Wandgemälde auftauchen.

Paris Ade – willkommen Neon

Das Forward Festival zeigt: Design ist vielfältig, dabei einzigartig – biegsam, ungebunden, kompromisslos, mutig und vieles mehr. Manchmal können gerade vermeintlich einfache Auftragsarbeiten für Designer aber auch richtig mühsam werden. Razin Parein aus Belgien zum Beispiel beschrieb in seinem Vortrag am Freitag, den 5. April eine Art von Auftrag, die ihm als Kreativen viel abverlangt. Der 3D-Designer und -Illustrator fasst es als „The Paris Syndrome“ zusammen: Der Kunde liebe deinen Stil, der Auftrag werde sehr einfach, heißt es. Die Deadline sei in wenigen Tagen. Es handelt sich zumeist um ein kleines Budget, der Auftraggeber sei aber sehr wichtig. Und dann: Was als einfacher und kurzer Auftrag beginnt, artet aus. Eine nicht enden wollende Schleife von Änderungswünschen, die das ganze Vorab-Briefing völlig auf den Kopf stellen, prasselt auf den Designer ein. Für ihn ist klar: „Werbung schränkt dich ein.“

„Advertising restricts you“ (Razin Parein)

In der Werbebranche könne man nicht wirklich kreativ sein, weshalb Razin Parein Wert darauf legt, persönliche Sachen („personal stuff“) zu machen. Das ist es auch, was ihm neue Jobs einbringt. Aus persönlichem Interesse designte er ein Fanposter zu Nicolas Winding Refns Film „Drive“ mit dem Titel als Neonröhren, was viral ging und einen Neon-Hype auslöste.

 

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Sein 3D-Schriftzug brachte ihm einen Haufen Jobs ein. Und eigentlich hatte er irgendwann genug davon und sagte sich „no more neon“, doch dann klopfte Nike bei ihm an. Also wurde daraus ein weiteres Neon – also „one more neon“. Danach sollte dann aber Schluss sein, doch Jay-Z wollte die Expertise vom 3D-Illustrator … und so ging es weiter, bis Razin Parein akzeptierte, dass es wohl immer ein weiteres Neon-Design geben werde. Er machte es zum Programm und präsentiert seine stylischen Arbeiten auf der Homepage onemoreneon.com.

Ein Hamburger als Vorbild

Auch für das Schweizer Studio Feixen in Luzern ist es wichtig, nicht nur einen Auftrag nach dem anderen abzuarbeiten. Felix Pfäffli und Raphael Leutenegger gestalten ihr Arbeitsleben nach einem Schichtprinzip: Ähnlich wie ein Hamburger aus verschiedenen Zutaten zusammengesetzt wird, setzen die beiden ihre Arbeit u. a. aus Kundenaufträgen, Unterrichten, Ausstellen und die Entfaltung ihrer eigenen Kreativität zusammen. In ihrem Studio „Feixen Lab.“ experimentieren sie – und probierten beispielsweise auch Animationen aus. So erweitert sich das Portfolio nicht nur um Kundenreferenzen, sondern auch um persönliche und kreative Arbeiten.

Von analogem und digitalem Design

Eine Herausforderung für das Designstudio von Felix Pfäffli und Raphael Leutenegger ist die Erschaffung nicht nur eines einzigen Designs, sondern vieler verschiedener Anwendungsvarianten – von analog über digital und mobil bis hin zu den verschiedensten Formaten.

Steffen Bärenfänger, Global Creative Lead von Mackevision (Teil der Accenture Interactive), ließ das Publikum in seinem Vortrag eintauchen in eine digitale Realität. Er erschafft sogenannte „digital twins“ für seine Kunden. Die dadurch erschaffenen digitalen Zwillinge eines Gegenstands lassen sich dann in digitale Szenarien aus verschiedenen Perspektiven oder in unterschiedlichen Ausführungen zeigen. So lässt sich das Aussehen schnell ändern – oder der Gegenstand wie zum Beispiel ein Auto einfach in eine andere Umgebung umsiedeln – ganz ohne aufwendige Fotoshootings und deren intensive Vorbereitungen.

Nicht nur von Gegenständen kann man mit dieser Technologie einen digitalen Zwilling erschaffen. In dem „The Ocean Mind Experience“ hauchen Mackevision und Produzent/Regisseur Daniel Opitz so Buckelwalen digitales Leben ein.

Leidenschaft und Imagination

Während sich Steffen Bärenfänger der Mission, Realität digital zu erschaffen, verschrieben hat, riet der Skandal-Fotograf Oliviero Toscani den an seinen Lippen hängenden Designern im Wiener Gartenbaukino, sich auf die Imagination, die eigene Vorstellungskraft zu besinnen – und das Handy aus der Hand zu legen. „Designer putting technology before their heart and their brain“, konstatierte er. Man solle außerdem an sich glauben, lieber man selbst sein als eine Kopie von jemand anderem.

Noch auf dem Trendradar

Neben form- und farbstarkem 3D-Design und digitalen Zwillingen tauchte Typografie mit einzigartigen Lettern immer wieder in den Designs der Redner auf. Und das lag nicht nur an dem Vortrag von Anna Fahrmaier und Michael Hochleitner, den Type-Profis der Foundry „Typejockeys“, die kurzfristig für einen ausgefallenen Redner einsprangen und einen Einblick in die Erschaffung neuer Fonts bzw. ganzer Fontfamilien gewährten. Denn nicht nur bei den Typejockeys dreht sich alles um Buchstaben, auch Ortnerschinko (Kira Saskia Schinko und Wolfgang Ortner) und das bereits erwähnte Studio Feixen setzen auf reduzierte Designs mit Text im Fokus.

Wenn ihr mehr über die in Wien angesiedelten Typejockeys erfahren wollt, schaut euch unser Interview „Schrift-Design: Was macht einen guten Font aus?“ mit Anna Fahrmaier an.

Auch in den Pausen wurde unterhalten

Buntes Treiben in den Pausen: Let „The odd one out“!

Auch neben dem Hauptprogramm bemühten sich die Veranstalter, das Festivalmotto überall sicht- und hörbar zu machen. Die Protagonisten aus dem Teaser-Video des Forward Festivals 2019 – der Tennisspieler – und „Der traurige Gärtner“, eine Art Minnesänger, tummelten sich im Publikum, gaben mit diversen Live-Performances ihre Einzigartigkeit zum Besten und gratulierten mit einem Ständchen zum fünften Geburtstag. Mittendrin stellte Onlineprinters mit ihrer internationalen Marke Onlineprinters den Designern und Künstlern ihr umfangreiches Sortiment vor. Hoch im Kurs standen Aufkleber, Postkarten und – wie sollte es anders sein – die Bierdeckel des Designwettbewerbs.

Vorgemerkt

Wer nicht beim skurrilen Spaß in Wien dabei sein konnte, muss nicht traurig sein: Am 13. und 14. Juni öffnet das Forward Festival in München seine Tore, am 15. Juni dann in Zürich und vom 4. bis 6. Juli 2019 macht die Kreativwelt in Hamburg Station.

 

 

Quellen
Text und Fotos: Lena Winter, Maren Klausnitzer