Sie wollen eine Visitenkarte, einen Flyer, einen Broschürentitel oder ein Plakat gestalten? Und benötigen allgemeingültige Gestaltungsregeln? Gibt es das überhaupt? Jedes Produkt ist doch anders? Richtig. Und trotzdem gibt es drei allgemeine Gestaltungsregeln, die sich mehr oder weniger auf jede Gestaltung anwenden lassen. Die erste der drei Regeln lautet: Blickfang setzen.

Jede Gestaltung ist anders, da an jede Gestaltung andere Ansprüche gestellt werden. Die Visitenkarte soll in der Hosentasche verschwinden können, aber trotzdem nicht in Vergessenheit geraten.

Der Flyer soll auf einen Blick die wichtigsten Informationen sichtbar machen. Er soll dem Leser signalisieren, dass es sich lohnt, ihn einzustecken. Oder ihn zumindest in den nächsten Minuten einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Das Cover einer Broschüre soll einen kurzen Einblick in den Inhalt der Broschüre geben, neugierig machen und das Interesse des Betrachters soweit wecken, dass er sie am Kiosk kauft und liest. Das Plakat hingegen muss nicht vom Betrachter gekauft werden, aber es soll seinen Blick einfangen, im Vorbeigehen oder sogar im schnellen Vorbeifahren. Und das möglichst auch dann noch, wenn schlechte Lichtverhältnissen herrschen oder ringsherum weitere Plakate zu sehen sind.

Allgemeingültige Gestaltungsregeln als Leitfaden

Sie sehen, es gibt völlig verschiedene Leseumstände, verschiedene Situationen, unterschiedliche Zielgruppen und verschiedene Ansprüche an die Gestaltung. Und doch lassen sich für diese völlig verschiedenen Arten von Gestaltungen Regeln aufstellen, die allgemeingültig sind. Diese Regeln zur guten Gestaltung können Sie als Leitfaden verwenden, als Unterstützung auf dem Weg zur individuellen Gestaltung. Sie ersetzen weder die Zielgruppenanalyse noch die Betrachtung der Leseumstände – Sie helfen Ihnen aber grundsätzlich bei jeder Layoutgestaltung.

Aufmerksamkeit wecken und einen Blickfang setzen

Vielleicht ist Ihnen bereits etwas aufgefallen, als wir über die Visitenkarte, die Broschüre oder das Plakat gesprochen haben. Eines haben nämlich bereits alle Gestaltungsprodukte gemeinsam, so unterschiedlich sie auch sind: Sie wollen Aufmerksamkeit. Die Visitenkarte landet doch erst gar nicht in der Hosentasche der Zielperson, wenn sie uninteressant erscheint. Der Flyer bleibt liegen, wenn Sie damit das Interesse des Betrachters nicht wecken können, und genauso bleibt die Broschüre bzw. das Magazin im Regal stehen. Und das Plakat wird nicht beachtet und geht im Plakatierwust der Großstadt unter.

Wenn Sie das nicht wollen, sondern wenn Sie Ihre Zielgruppe erreichen, Ihre Leser ansprechen oder das Interesse Ihrer Kunden wecken wollen, brauchen Sie deren Aufmerksamkeit. Und die gewinnt man mit unserer ersten Regel der drei Gestaltungsregeln: Schaffen Sie einen Blickfang. Einen Eyecatcher. Etwas, was die Aufmerksamkeit – und noch besser, das Interesse der Betrachter weckt.

Was passiert durch den Blickfang?

Wenn sich ein Betrachter ihrem Flyer zuwendet, sein Blick auf der Titelseite landet, suchen die Augen des Betrachters automatisch nach einem Punkt, an dem sie sich festhalten und kurz verweilen können. Haben Sie als Gestalter diesen Punkt, den Blickfang gesetzt und geben dem Betrachter damit erstmal überhaupt die Möglichkeit, kurz zu verweilen, sind Sie auf einem guten Weg. Gleichzeitig, und das ist die Herausforderung, sollte der Blickfang so gestaltet sein, dass er stellvertretend für die Aussage des Druckerzeugnisses steht.

Eyecatcher ist nicht gleich Eyecatcher

Und hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Nicht jeder Blickfang eignet sich für das, was wir vorhaben. Wir wollen den Blick des Betrachters fangen. Aber das ist nicht alles. Wir wollen ihn auch sofort, im ersten Moment, über den Inhalt informieren. Wir wollen ihm mit dem Blickfang gleichzeitig Informationen liefern – zumindest so viel, dass er weiß, um was es sich handelt.

Sex sells – oder doch nicht?

Ein Blickfang in Form von Wet-T-Shirt-Damen oder große, tränende Kinderaugen haben in der Werbung immer noch nicht ganz ausgedient. Tatsächlich sind diese aber viel weniger effektiv wie von vielen angenommen. Zumindest dann, wenn es sich bei dem zu bewerbenden Produkt weder um nasse T-Shirts noch Kinderaugentropfen handelt. Genau das macht den Unterschied. Der Anspruch an den Gestalter liegt darin, einen passenden Blickfang zu finden, der nicht plump wirkt.

Ein guter Blickfang schafft es, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu gewinnen UND gleichzeitig über das Produkt bzw. das Thema oder den Inhalt, um den es geht, zu informieren.

Der Eyecatcher und die restliche Gestaltung

Zu guter Letzt gestaltet der Layouter den Blickfang räumlich so geschickt, dass er in Verbindung zum Rest der Inhalte steht. Er baut eine Brücke zu den restlichen Texten, er bereitet dem Betrachter einen bequemen Weg, um sich ohne Mühen vom Blickfang aus weiterzubewegen und alle nötigen Informationen zu finden. Eine solche Verbindung kann durch die räumliche Aufteilung sowie durch den Einsatz von Farbe und Schrift erfolgen.

Der Blickfang sorgt für Professionalität

Druckerzeugnisse ohne Blickfang wirken unentschlossen. Für den Betrachter ist unklar, auf welchem Punkt seine Augen landen sollen, um was es geht, was die wichtige Information ist. Wir wollen Klarheit, wir wollen Entschlossenheit, wir wollen Prioritäten. Die Unentschlossenheit einer Gestaltung wird schnell als unprofessionell empfunden – ähnlich wie ein Fachmann, den man um Rat fragt und der mit „ich bin mir nicht sicher, ich weiß es nicht, vielleicht ja oder auch nein“ antwortet. Man fühlt sich nicht gut aufgehoben, nicht gut abgeholt. All das sind nicht immer formulierbare, aber doch empfundene Gefühle, die bei der Betrachtung von unentschlossenen Gestaltungen aufkommen.

Aus was kann ein Blickfang bestehen?

Ein Blickfang kann aus Text oder Schrift bestehen, aus einem oder mehreren Bildern. Auch andere Gestaltungselemente wie Grafiken, Illustrationen, Linien und Formen oder eine Kombination aus einem oder mehrerer Varianten können dafür sorgen, das Designs aus der Masse herausstechen. Um etwas hervorzuheben und den Eyecatcher zu formen, arbeitet man in erster Linie über die Größen. Aber Sie können natürlich auch mit Farben und Kontrasten arbeiten, um einen Blickfang zu betonen und zu leiten.

Verschiedene Varianten des Blickfangs

Sie kennen sicherlich die sogenannten Störer, denen man in der Werbung häufig begegnet. Die Störer erstrecken sich teilweise quer über die Seite und weisen auf ein Sonderangebot, auf besondere Umstände, ganz allgemein auf Informationen, die der Betrachter an dieser Stelle nicht erwartet. Sie sollen den Inhalt ganz bewusst an dieser Stelle stören. Ein solcher Blickfang wird nicht mit der Gestaltung entwickelt, sondern auf eine fertige Gestaltung gesetzt und fügt sich auch optisch in der Regel nicht zu dem Rest. Ein solch optischer Reiz kann ebenfalls einen Blickfang darstellen und seinen Zweck erfüllen, die Aufmerksamkeit des Betrachters einzufangen.

Etwas anspruchsvoller in der Gestaltungsarbeit ist der ästhetische Blickfang. Hier wird die gesamte Gestaltung so entwickelt, dass bereits zu Beginn mit dem Gedanken des Eyecatchers gearbeitet wird und sich eins zum anderen fügt.

Ein oder zwei oder drei Eyecatcher?

Häufig stellt sich bei der Entscheidung für einen Blickfang die Frage, ob man sich auf einen beschränken muss. Formulieren wir es so: Sie können mehrere Objekte als Blickfang verwenden, aber diese sollten in einer Verbindung miteinander stehen.

Es gibt fantastische Printprodukte, in denen der Gestalter beispielsweise einen kurzen Text sowie Bild als Blickfang gesetzt hat. Die Voraussetzung für die geforderte Verbindung ist häufig eine räumliche Nähe. Steht also der Text links oben und das Bild rechts unten, ist eine gemeinsame Arbeit als Blickfang kaum möglich. Allerdings ist die räumliche Nähe der Objekte häufig nicht genug. Unterstützen Sie die Zusammenarbeit der Objekte durch verschiedene grafische Möglichkeiten. Stellen Sie eine enge Verbindung etwa durch Farbe, Form oder durch den gleichen Stil sicher.

Aber Vorsicht! Gelingt es nicht, eine Verbindung zwischen den Objekte zu schaffen, bewirken sie das Gegenteil: Durch das Setzen mehrerer Blickfänge in einer Gestaltung wird der Betrachter verwirrt. Die Objekte treten in Konkurrenz miteinander. Sie unterstützen und unterstreichen sich nicht gegenseitig, sondern sie werden gegeneinander ausgespielt. In der Folge ist dem Betrachter nicht klar, an welcher Stelle sein Blick zu landen hat und das gesamte Konstrukt eines Blickfangs geht verloren.

Blickfang anschaulich im Beispiel

Sehen wir uns das Beispiel eines Flyers an. Der Flyer bietet Schwimmkurse im Sommer für Kinder an. Halten wir die wichtigen Informationen fest: Es geht um Schwimmkurse, Kinder und Sommer.

Videotutorial

Fehlende Verbindungen, lose Informationen

In Variante 1 wurde kein eindeutiger Blickfang gesetzt. Der Blick des Betrachters schwankt zwischen dem Titel und den beiden Bildern. Beide Objekte stehen aber räumlich zu weit auseinander, als dass eine Verbindung entstehen könnte. Zudem zerfällt auch der Titel in zwei Teile, da mit schwarzer und weißer Schrift und mit zwei Größen gearbeitet wurde. Eine Verbindung zum unteren Textblock, in dem es weitere Informationen gibt, besteht ebenfalls nicht.

Unentschlossen: Blickfang Bilder – oder doch nicht?

In Variante 2 hat sich der Gestalter augenscheinlich für die Bilder als Blickfang entschieden. Aber auch diese Entscheidung wirkt noch unentschlossen. Zudem besteht keine Verbindung zum Titeltext und zu den restlichen Informationen, die Gestaltung wirkt zerfallen.

Es wird besser! Blickfang mal 2, aber zu weit auseinander

In Variante 3 gibt es zwei bzw. drei Blickfänge: Zum einen ist es der Titel, der hier in einer Pinselschrift ausgezeichnet und somit bereits als schmückendes Element verwendet wurde. Zum anderen sind es beide, gleich große Bilder. Dazwischen befinden sich die weiteren Informationen. Diese sind zwar auf diese Art gut eingebunden, allerdings stehen die Blickfänge Bild und Text zu weit auseinander. Das wiederum ruft beim Betrachten ein Gefühl von Unsicherheit und Unklarheit hervor.

Perfect match! Geführter Blickfang und Kreis als verbindendes Element

In Variante 4 hat der Gestalter den Titeltext sowie eines der beiden Bilder zum Blickfang erklärt. Beide Elemente stehen räumlich nah zusammen und sind zudem durch die Rundung miteinander verbunden, sie „arbeiten“ miteinander. Weiterhin hat man das Gestaltungselement Kreis – mit dem Bezug zu Wassertropfen und Luftblasen – konsequent eingesetzt. Somit stehen alle Informationen in Bezug zueinander. Der Blick wird vom großen Bild 1 nach links zu Bild 2 und dann nach unten zum orangefarbenen Kreis geführt, in dem die restlichen Informationen zu stehen kommen.

Bildquellen: Joss Rogers via Pixabay, Brian Matangelo via unsplash; CG Alex, Yuliasis, Max Fischer, ESB Professional, Followtheflow via Shutterstock; Philipp Birmes, Jonathan Borba, Kaboompics.com via Pexels

Credits: Es gestaltet und spricht Claudia Korthaus (Typostil).