Wann lohnt es sich, Geld für eine eigene Unternehmensschrift auszugeben und was zeichnet eine professionelle Schrift überhaupt aus? Die Wiener Typo-Profis der Foundry „Typejockeys“ erklären, worauf es ankommt und geben spannende Einblicke in die tägliche Arbeit der Schriftgestaltung.

Eine gute bezahlte Schrift von einer guten kostenlosen zu unterscheiden ist, wider Erwarten, gar nicht so einfach. Zumindest für ungelernte Betrachter. Noch schwerer ist es, Unterscheidungen zwischen bezahlten Fonts zu machen – selbst für Grafiker. In Zusammenarbeit mit dem Schriftgestaltungsbüro „Typejockeys“ aus Wien haben wir deshalb versucht festzuhalten, was ein gutes Schrift-Design wirklich ausmacht.

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„Unsere Schriften haben immer einen freundlichen Moment.“, verrät uns Anna Fahrmaier, Mitgründerin und -inhaberin der Typejockeys Foundry. Die Schriften von Typejockeys wären zwar nicht immer verspielt, aber sympathisch, so Anna weiter. Das Gestaltungsbüro entwickelt seit 2008 Schriftfamilien, Custom- und Displayfonts sowie Letterings aller Art – ob Logotypen, Magazincover- oder Schaufenster-Gestaltung. Im Interview gab uns Anna spannende Einblicke in ihre Arbeit und hilfreiche Antworten auf die Frage, was einen guten Font wirklich ausmacht.

Qualitätsmerkmale eines guten Schrift-Designs

In den nachfolgenden Tipps zur Auswahl einer Schrift werden die Qualitätsmerkmale anschaulich an Praxisbeispielen ausgeführt.

Wenn Sie bewerten müssen, ob eine Schrift professionell und für Sie geeignet ist, können Sie sich in etwa an folgenden Punkten entlang hangeln.

  • Der Font verfügt über genügend Schriftschnitte für Ihre Verwendungszwecke.
  • Er enthält alle Sonderzeichen, die Sie benötigen (bestenfalls noch mehr). Denken Sie dabei auch an andere Sprachen, falls nötig.
  • Die Schrift kann angenehme Buchstabenverbindungen, sogenannte Ligaturen – …
  • … bestenfalls noch Contextual Alternates (kontextbedingte Alternativen) – für ein optisch schöneres Schriftbild aufweisen (dazu in den Tipps mehr).
  • Die Buchstaben sind mit sauberen Kurven aufgebaut und enthalten keine Vielzahl an Kurvenpunkten.
  • Die Schrift fühlt sich natürlich an und fügt sich harmonisch in das Gesamtbild. Das ist ein äußerst subjektives Empfinden, trägt aber beispielsweise bei Script-Fonts, die eine menschliche Schreibschrift nachempfinden, zur Authentizität der Schrift bei.

„Eine Schrift muss auch Spaß machen …“

„…, dem Betrachter wie dem Grafiker.“, findet Anna von Typejockeys. Viele Grafiker kennen die Möglichkeiten von OpenType Features, die zum Beispiel die kontextbedingten Alternativen erst möglich machen, gar nicht. Mit diesen Features werden Buchstaben oder Zahlen intelligent ersetzt, je nach dem welche Zeichen danach folgen. Hier sei der Entwicklergeist der Schriftgestalter zu spüren und es wäre auch ein ganz neuer kreativer Schrifteinsatz (wie unten im Bild sichtbar wird) möglich, so Anna.

Hier wird eine bestimmte Ziffernfolge automatisch mit der extra angefertigten No.-Glyphe ersetzt © Typejockeys

Tipps zur Auswahl einer Schrift

Egal ob Sie Geld ausgeben möchten oder nicht; egal für welche Zweck Sie eine Schrift suchen: Diese Tipps sollten Sie beherzigen, um unnötige Kosten und Arbeitszeit zu sparen.

1. Werden sich klar über den Zweck

Suchen Sie eine Schrift für eine einmalige Aktion oder kann diese auch öfter eingesetzt werden? Sind Sie sogar auf der Suche nach einer Hausschrift für Ihr Unternehmen? Je nach Zweck ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an den gesuchten Font. Beantworten Sie daher am besten die folgenden Fragen, bevor Sie mit der Suche loslegen.

  • Wie viele Schnitte benötigen Sie? Brauchen Sie auch kleine oder kursive Varianten der Schrift? Denn es macht einen Unterschied, ob Sie eine Schrift einfach fetten oder den Bold-Schnitt nutzen. Professioneller wirken immer extra angefertigte Schnitte, da sie besser lesbar und optisch anmutiger sind.
  • Suchen Sie eine Headline- oder Fließtext-Schrift? Diese beiden Arten stellen unterschiedliche Ansprüche an den Lesefluss des Betrachters.
  • In welchen Sprachen möchten Sie den Font nutzen? Entsprechende Umlaute und Sonderzeichen sollten in den Schriftschnitten enthalten sein.
  • Benötigen Sie besondere Sonderzeichen? Wenn Sie nicht extra eine Custom font für Ihre Zwecke erstellen lassen möchten, lohnt es sich etwas Zeit zu investieren und zu suchen. Viele Foundries bieten äußerst umfangreiche Schriftfamilien an, die Ihre Sonderzeichen bereits enthalten können.

Für eine professionelle Unternehmensschrift sollten Sie Geld in die Hand nehmen

Nicht umsonst entwickeln Agenturen in vielen Feedbackschleifen mit Ihnen zusammen die passende Schrift, wenn Sie das möchten. Und das lohnt sich auch. Da Ihre Hausschrift bestenfalls zu einem Ihrer Markenzeichen wird oder bereits ist, sind Typo-Profis eine gute Anlaufstelle für deren (Re-)Design. Dabei wird durchaus auch händisch mit Bleistift und Papier gearbeitet, ob bei der Entwicklung von Schriften oder bei Logotypen. Anna von Typejockeys erklärt uns dazu:

Je nach Aufgabenstellung werden bei zum Beispiel einem sanften Redesign Kurven überarbeitet, harmonisiert sowie Proportionen, Gewichtung, Weißräume verfeinert. Das passiert meist gleich am Computer. Geht es darum, ein starkes Redesign durchzuführen, gibt es erst eine analoge Skizzenphase, die dann vor der digitalen Überarbeitung mit dem Kunden abgestimmt wird.

Zu sehen sind Redesign-Aufträge bekannter österreichischer Marken © Typejockeys

2. Jede Art von Schrift hat ihre Eigenheiten

Schreibschriften, sogenannte Script fonts, sind gerade wieder hoch im Kurs. Hier hat uns Anna einen interessanten Einblick in ihre Arbeit gegeben. Typejockeys achten bei der Erstellung solcher Schriften absichtlich auf leichte Abweichungen im Schriftbild und „menschliche Wurzeln“. Denn eine Handschrift ist selten akkurat und gleichmäßig – und eben das wollen Script fonts ja imitieren. So sorgen zum Beispiel verschiedene Buchstaben-Varianten der Buchstaben „o“ und „l“ beim Font „Gretel“ (© Typejockeys) für mehr Lebendigkeit. Das lässt Design-Herzen höher schlagen.

Pro Kleinbuchstabe gibt es bei diesem Font mind. sieben Varianten als OpenType Features

3. Testen, was geht

Online-Tests sind schon mal ein professionelles Anzeichen für den Anbieter der Schrift. Leider bietet eine Zeile Texteingabe aber auch keine allzu umfangreiche Testumgebung. Halten Sie daher auch Ausschau nach der Möglichkeit Schriften zu mieten oder fragen Sie eine zeitlich begrenzte Nutzung beim Anbieter an. Nur wenn Sie die Schrift auch herunterladen und in Ihrem Grafikprogramm testen können, bekommen Sie einen wirklich guten Eindruck.

4. Beim Testen ins Detail gehen

Denn wenn Sie die Schrift in Ihrem Grafikprogramm testen, können Sie den Schriftdesignern auf den Zahn fühlen. Beim Testen erkennen Sie auch schnell, ob angenehme Ligaturen dafür sorgen, dass Buchstaben fließend miteinander verbunden werden, egal welcher Buchstabe nach ihnen folgt.

Ligaturen sorgen für ein angenehmes Schriftbild © Typejockeys

Wenn Sie die Schrift in Ihrem Grafikprogramm öffnen, können Sie sich auch die Kurven und Vektoren der Buchstaben genauer ansehen. Abzüge gibt es für die Schrift, wenn zu viele Kurvenpunkte zu erkennen sind.

Die Betrachtung der Kurvenpunkte ist unter anderem auch bei der Suche nach Webfonts interessant. Umso mehr (unnötige) Kurvenpunkte die Schrift enthält, umso größer wird die Datenmenge der Font, was sich negativ auf die Ladezeit einer Webseite auswirkt.

Handgezeichnetes weist saubere Kurven auf, wenn es am Computer nachgezeichnet, statt automatisch digitalisiert wird

Contextual Alternates (kontextbedingte Varianten), erklärt uns Anna, sind ein besonderes Qualitätsmerkmal. Diese kontextbedingten Varianten lassen sich als OpenType Features im OpenType Menü in Adobe Illustrator einschalten. So verhalten sich die Buchstaben beim Schreiben entsprechend Ihrer Nachfolger unterschiedlich und intelligent im Kontext. Das kann Designern auch helfen Fehler zu vermeiden.

Contextual Alternates in der Schrift Ingeborg © Typejockeys

Bei „Ingeborg“, ebenfalls eine Schrift der Wiener Typo-Profis, wird ein „x“ zwischen zwei Zahlen automatisch mit dem richtigen Zeichen, nämlich einem Multiplikationszeichen, ersetzt. Bei dieser Schrift wird auch die Ziffernfolge „NO.“ mit einer nachfolgenden Zahl durch eine extra angefertigte No.-Glyphe ersetzt. Das ist vor allem ein optisches Design-Feature. Außerdem verfügt der Font über zwei verschiedene Varianten des Kleinbuchstaben „g“, die abwechselnd eingesetzt werden, wenn der Buchstabe mehrmals im Wort vorkommt.

„Wir bevormunden auch gerne mal.“

Wenn der Grafiker es zulässt. Denn sind die OpenType Features aktiviert, werden die Contextual Alternates automatisch gesetzt und ersetzen je nach Programmierung munter Zeichen wie in den Bildern dargestellt. Dieses Feature bauen Typejockeys gerne in Ihre Schriften ein, besonders in jene, die sie aus Eigenantrieb erstellen und zum Verkauf anbieten. Natürlich kann diese Funktion jederzeit deaktiviert werden, wird manchmal aber sogar ausdrücklich von Kunden gewünscht. Beispielsweise um mögliche Fehler wie oben erwähnt zu vermeiden.

5. Wer länger sucht, ärgert sich später weniger

Anna betont im Gespräch noch einmal, dass sie aus Erfahrung sagen kann, dass es sich immer lohnt beim ersten Suchen mehr Zeit – auch mehr Zeit zum Testen – zu investieren, statt sich später im Einsatz zu ärgern und von vorne starten zu müssen.

Warum lohnt es sich als Unternehmen Geld für eine Custom font zu investieren?

Besonders wenn Sie eine Unternehmensschrift suchen, hat eine extra angefertigte und zugeschnittene Schrift maßgebliche Vorteile. Neben der Tatsache, dass das Schrift-Design somit alle Voraussetzungen erfüllt, die Sie fordern, gibt es laut Anna von Typejockeys drei weitere Argumente für eine Custom font:

  • Exklusivität. Man kann sich von Mitbewerbern abheben und einen ganz eigenen Stil kreieren.
  • Passgenauigkeit. Das Schriftgestaltungsbüro kann auf Bedürfnisse und Anforderungen eingehen und eine maßgeschneiderte Lösung anbieten. Ob Design, Sprache, Einsatzgebiet, Icon-Einbindung, und vieles mehr.
  • Wirtschaftlichkeit. Mit individuellen Lizenzierungsmöglichkeiten können (vor allem große) Unternehmen langfristig Geld sparen. Denn Multilzenzen für viele Geräte beziehungsweise Standorte sowie Webfont-Lizenzen für eine sehr hohe Anzahl an Pageviews können sehr teuer werden. Da kann die Entwicklung einer eigenen Schrift günstiger sein – und oben drein hat man dann noch etwas Maßgeschneidertes.

Vielen Dank an den Input und das aufschlussreiche Interview, liebe Typejockeys!